Wundschmerzen verstehen, ernst nehmen und lindern
Das Schmerzempfinden variiert von Mensch zu Mensch und wird durch zahlreiche Faktoren beeinflusst. Wundschmerzen müssen ernst genommen werden, da sie die Wundheilung verzögern können. Wir beleuchten effektive Maßnahmen zur Schmerzvermeidung beim Verbandwechsel und die Rolle der Schmerzanamnese für eine zielgerichtete Therapie.
Definition: Schmerz, was ist das eigentlich?
Jeder Mensch kennt Schmerzen. Per Definition ist Schmerz „ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit einer tatsächlichen oder potenziellen Gewebeschädigung einhergeht oder einer solchen ähnelt“1. Schmerz wird von Menschen unterschiedlich wahrgenommen. Das zeigt, dass neben der vorhandenen oder nicht vorhandenen Reizung eines Nervs auch individuelle und persönliche Faktoren eine Rolle spielen, z. B. biologische, psychologische und soziale Faktoren. Deshalb ist es wichtig, das Schmerzempfinden anderer Personen zu respektieren.
Verschiedene Wundschmerzen
Es gibt unterschiedliche Arten von Schmerzen. Zugrunde liegen unterschiedliche Ursachen:
- Akute Schmerzen werden durch sogenannte Noxen ausgelöst. Das können chemische, mechanische oder thermische Stimuli sein, die die Schmerzbahnen reizen. Sie können auch akut-rezidivierend, also wiederkehrend, sein, beispielsweise beim Verbandwechsel oder bei der Wundspülung.
- Neuropathische Schmerzen werden durch eine Verletzung oder Dysfunktion des Nervensystems verursacht. Typisch sind als brennend, stechend oder dumpf beschriebene Schmerzen, die anfallartig einschießen können.
- Psychogene Schmerzen werden durch psychische Traumata, seelische Konflikte oder negative Erfahrungen in der Vergangenheit ausgelöst, ohne dass es eine organische Ursache gibt.
- Chronischer Wundschmerz tritt als dauerhaftes Schmerzempfinden auf und ist vom ursprünglichen Schmerzreiz unabhängig. Dekubitus, Ulzera, Tumorwunden und infizierte Wunden gehen häufig mit chronischen Schmerzen einher.
Anamnese: Den Schmerz verstehen
Das Ziel der Anamnese ist es, den Schmerz zu verstehen. Dabei helfen Aspekte wie die Schmerzart, die Schmerzlokalisation und -ursache und die Schmerzqualität. Um die Belastung besser einschätzen zu können, verwenden Fachkräfte in der Befragung der Patient:innen Schmerzskalen. Sie dienen dazu, die aktuelle Situation zu erheben, aber auch den Verlauf und die Therapie zu kontrollieren. Bei erwachsenen, ansprechbaren Menschen werden in der Regel Skalen zur Selbsteinschätzung verwendet. Häufige Schmerzskalen sind 2 :
- Visuelle Analogskala (VAS): Eine Linie, deren Beginn mit „kein Schmerz“ und deren Ende mit „stärkster vorstellbarer Schmerz“ beschriftet ist. Der/Die Patient:in markiert auf der Linie den aktuellen Schmerzwert.
- Numerische Rating-Skala (NRS): Patient:innen vermerken ihren Schmerz als Zahl zwischen
0 (kein Schmerz) und 10 (stärkster vorstellbarer Schmerz).
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Ursachen für Schmerzen beim Verbandwechsel
Für Patient:innen mit Wunden ist der Verbandwechsel häufig mit Schmerzen verbunden. Doch nicht nur die Wunde selbst ist für die Entstehung von Schmerzen verantwortlich. Die Stresssituation sowie die psychische Belastung durch körperliche Einschränkungen und einen Verlust an Lebensqualität tragen einen großen Anteil dazu bei. Dazu kommen verklebte, angetrocknete oder eingewachsene Verbandmittel und Verletzungen der Haut durch kräftige Wundreinigung oder unsachgemäßes Ablösen von Verbänden (siehe auch Skin Tears).
Es gilt, Patient:innen vor dem Verbandwechsel darüber aufzuklären, welche Schritte durchgeführt werden und womit sie gegebenenfalls rechnen müssen. Das schafft Vertrauen, kann Ängste lindern und das Schmerzempfinden positiv beeinflussen. Auf unangenehme Vorerfahrungen sollte eingegangen und Rücksicht genommen werden. Grundsätzlich sollten die Schmerzintensität und die Schmerzerfahrungen ernst genommen werden.
Schmerzvermeidung beim Verbandwechsel
Das Ziel sollte sein, den Verbandwechsel möglichst schmerzfrei und atraumatisch zu gestalten. Dazu gehört die Verwendung von individuell angepassten und wundheilungsfördernden Materialien, beispielsweise AQUACEL® Extra und ConvaFoam® Silicone mit der Hydrofiber® Technologie.
AQUACEL® Extra mit der Hydrofiber® Technologie sorgt für eine optimale Feuchtigkeitsbalance in der Wunde, um ein feucht-warmes Wundheilungsmilieu aufrechtzuerhalten. Beim Kontakt mit Wundexsudat wird ein formstabiles Gel gebildet, das zu einer Minimierung der Schmerzen beim Verbandwechsel beiträgt. ConvaFoam® Silicone ist weich, flexibel sowie anpassungsfähig und bietet einen erhöhten Schutz für empfindliches Gewebe.
Sind aufgrund der Wunde Schmerzen nicht auszuschließen, sollten Lokalanästhetika verabreicht werden. Dabei gilt es zu beachten, dass es je nach Wirkstoff zwischen 30 und 60 Minuten dauern kann, bis die Wirkung eintritt.
Weitere Maßnahmen zur Schmerzvermeidung beim Verbandwechsel sind3:
- Stressfreie, ruhige Umgebung schaffen und ausreichend Zeit für den Verbandwechsel einplanen
- Temperaturunterschiede vermeiden, z. B. Fenster schließen, um Luftzug zu verhindern, Wundspüllösung anwärmen
- Bequeme Position für den/die Patient:in
- Wundauflage schonend ablösen
- Unnötige Reizungen, Berührungen von Wunde oder Wundrand vermeiden, gereizte Haut mit Wundschutz versorgen und Wunde zügig wieder verbinden
- Bei geplantem Débridement Analgetika und Anästhesieverfahren nach Bedarf einsetzen
- Möglichst elastische Schlauchverbände zum Fixieren der Wundauflagen verwenden und den Sekundärverband nicht zu stramm anbringen
Benötigen Patient:innen eine systemische Schmerztherapie, so wird diese anhand des WHO-Stufenschemas (WHO 1986) durchgeführt. Die Dauer zwischen Gabe und Wirkeintritt muss dabei berücksichtigt werden.
Stufe | Medikamente |
1 | Nichtopioid-Analgetika ± ggf. Supportiva |
2 | schwaches Opioid-Analgetikum + Nichtopioid-Analgetikum ± ggf. Koanalgetika und Supportiva |
3 | starkes Opioid-Analgetikum + Nichtopioid-Analgetikum ± ggf. Koanalgetika und Supportiva |
Tabelle 1: Systemische Therapie, orientiert am WHO-Stufenschema (1986). Adaptiert nach2.
Fazit: Schmerzen können die Wundheilung verzögern und die Adhärenz der Patient:innen zu einer Therapie verringern. Geäußerte Schmerzen oder die Angst davor sollten von Fachkräften ernst genommen werden. Dabei können die Methoden zur Schmerzvermeidung während des Verbandwechsels ebenso unterstützen wie die Wahl geeigneter Verbandmaterialien und Wundversorgungsprodukte.
Quellen:
1 Raja SN, Carr DB, Cohen M, Finnerup NB, Flor H, Gibson S, Keefe FJ, Mogil JS, Ringkamp M, Sluka KA, Song XJ, Stevens B, Sullivan MD, Tutelman PR, Ushida T, Vader K. The revised International Association for the Study of Pain definition of pain: concepts, challenges, and compromises. Pain. 2020 Sep 1;161(9):1976-1982. doi: 10.1097/j.pain.0000000000001939
2 Behandlungsstandard: Schmerzbehandlung bei Patienten mit chronischen Wunden: https://www.wundzentrum-hamburg.de/wp-content/uploads/Standards/11-2022/WZ-BS-009-V05-Schmerzbehandlung-bei-Patienten-mit-chronischen-Wunden.pdf (letzter Aufruf: 15.04.2024)
3Verfahrensstandard: Schmerzvermeidung beim Verbandwechsel: https://www.wundzentrum-hamburg.de/wp-content/uploads/Standards/11-2022/WZ-VS-015-V06-Schmerzvermeidung-beim-Verbandwechsel.pdf (letzter Aufruf: 15.04.2024)
(SC-70003-DEU-DEU-v1)
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