Wundhygiene als Teil der Behandlung chronischer Wunden
Das Konzept der Wundhygiene dient der Behandlung von Wunden mit Biofilm. In der Behandlung chronischer Wunden sind jedoch auch eine adäquate Diagnostik und Therapie der zugrunde liegenden Ursache notwendig. Der Übersichtsartikel „Wundhygiene als Teil einer proaktiven Strategie zur Förderung der Wundheilung“ stellt diesen ganzheitlichen Behandlungsansatz detailliert dar und gibt Hilfestellungen für Anwender:innen.
Herausforderung chronische Wunden
Chronische Wunden sind oftmals herausfordernd. Die Wundheilung kann stagnieren oder nicht optimal verlaufen, was für Betroffene sehr belastend sein kann. Eine schlechte oder stagnierende Wundheilung kann unterschiedliche Ursachen haben, z. B.
- Begleiterkrankungen: Das Vorliegen von weiteren chronischen Erkrankungen und deren medikamentöse Therapie können die Wundheilung beeinträchtigen.
- Adhärenz von Patient:innen: Verschiedene Gründe können dazu beitragen, dass die Umsetzung von Therapiekonzepten von Patient:innen nicht optimal unterstützt wird, z. B. fehlendes Wissen, mangelndes (Sprach-)Verständnis, unklare Anweisungen, hohe Kosten für die Patient:innen, physische, psychische, soziale oder berufliche Einschränkungen durch die Erkrankung.
- Diagnose und Therapie: Erfolgt eine Therapie ohne eingehende Diagnose und/oder ist die Wundbehandlung nicht adäquat, kann die Wundheilung beeinträchtigt sein.
Wundversorgung in drei Stufen
Da bei Menschen mit chronischen Wunden neben der Wunde noch weitere Faktoren wichtig für die Heilung sind, sollte ganzheitlich vorgegangen werden. Das proaktive Behandlungskonzept selbst beginnt noch vor der Durchführung der Wundhygiene1 (Abbildung 1):
- Einschätzung und Diagnostik („Assess“)
- Versorgung („Manage“) mit Durchführung der Wundhygiene
- Monitoring und Evaluation („Monitor“)
Abbildung 1: Drei-Stufen-System zur Optimierung der Wundbehandlung
1. Stufe: Einschätzung und Diagnostik („Assess“)
Die klinische Untersuchung der Patient:innen bildet die Grundlage, um Behandlungsziele und eine geeignete Strategie zur Behandlung der Wunde festzulegen. Patient:innen und ggf. Angehörige sollen in die Entscheidungsfindung eingebunden werden. Neben eigenen Fragen und fachkundigen Hinweisen zur Wundheilung haben für Betroffene auch ihre persönlichen Lebensumstände eine große Bedeutung. Behandlungsziele können etwa die Verbesserung der Lebensqualität und Selbstständigkeit, die Vermeidung von Komplikationen oder Maßnahmen zur Verbesserung der Wundsituation sein.
Zu Beginn und im Verlauf der Behandlung sollten geeignete Kriterien abgefragt werden, um die Entwicklung zu verfolgen. Solche Kriterien sind beispielsweise Ernährungszustand, Exsudatmenge und -beschaffenheit, Fuß-/Zehendeformitäten und Gangbild, Lebensqualität, Mobilität und Beweglichkeit, Ödeme, Schmerzen, Wundgröße usw.
2. Stufe: Versorgung („Manage“) mit Durchführung der Wundhygiene
Nach der Diagnostik und der Begutachtung der Wunde erfolgt die Wundversorgung. Sie folgt immer dem Konzept der Wundhygiene, das vier Schritte umfasst:
- Spülung und Reinigung: Entfernen von Verunreinigungen, losen Zelltrümmern und Mikroorganismen sowie Verbandresten von der Wunde und der wundumgebenden Haut.
- Débridement: Anhaftendes, abgestorbenes Gewebe, Krusten oder Fremdkörper werden aus der Wunde möglichst vollständig entfernt.
- Wundrandbehandlung: Strukturen am Wundrand, die Biofilm beherbergen können, werden beseitigt, z. B. Schorf, Beläge und Hyperkeratosen. Zweck ist es, die Wundränder an den Wundgrund anzupassen.
- Wundverband: Abhängig von der vorliegenden Wundheilungsphase, der Exsudatmenge sowie einer möglichen Keimbesiedelung wird ein adäquater Wundverband ausgewählt.
Eine wichtige Strategie der Wundhygiene ist es, die Neubildung von Biofilm zu verhindern und Biofilm auf Wunden zu entfernen. Dadurch wird die Wundheilung unterstützt.
Biofilm kommt in den meisten chronischen und in nahezu allen schwer heilenden Wunden vor, beeinträchtigt die Wundheilung und erhöht die Gefahr der Ausbreitung auf andere Gewebe. Er besteht aus Mikroorganismen – vor allem Bakterien und Pilzen –, die von einer selbst gebildeten und schwer durchdringbaren Matrix aus extrazellulärer polymerer Substanz (EPS) umhüllt werden. Die EPS-Schutzhülle erschwert es dem Immunsystem, die unerwünschten Mikroorganismen zu attackieren. Zudem können auch Antibiotika und Antiseptika aufgrund dieser Barriere ihre Wirkorte nicht ausreichend erreichen.
3. Stufe: Monitoring und Evaluation („Monitor“)
Die Verlaufskontrolle dient dazu, die Entwicklung der Wunde, aber auch die Lebensqualität an sich zu dokumentieren und anschließend zu beurteilen. Es gilt, die Patient:innen ganzheitlich im Blick zu haben. Wie sieht es hinsichtlich der festgelegten Behandlungsziele aus?
Fazit: Keine Wunde ohne Mensch! Daher sollte die Wundversorgung mehr als nur eine Beschäftigung mit der Wunde bedeuten. Medizinische Fachkräfte sollten ganzheitlich auf die betroffene Person blicken. Dazu bietet das Drei-Stufen-System zur Wundbehandlung einen guten Leitfaden.
Weitere Informationen:
Eine detaillierte Übersicht über das Drei-Stufen-System und das Konzept der Wundhygiene bietet dieser Übersichtsartikel.
Quellen:
1 Dissemond J, Protz K, Jäger B, Kolbig N, Schimmelpfennig M. Wundhygiene als Teil einer proaktiven Strategie zur Förderung der Wundheilung. WUNDmanagement. 2024; 03.
2 Dissemond J, Protz K, Jäger B, Kolbig N, Schimmelpfennig M. Wundhygiene – ein neues Konzept, um chronischen Wunden frühzeitig mit einer Anti-Biofilm-Interventionsstrategie zu begegnen. Sonderdruck/ Kongressbegleiter DEWU 2023.
(AP-70816-DEU-DEU-v1)
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