Nachhaltige Wundversorgung – wenn Ärzte, Wundtherapeuten & Patienten zusammenarbeiten
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Für eine erfolgreiche Therapie oder Versorgung von Patienten, zum Beispiel in der Wundbehandlung, sollten bei der Planung immer auch die individuellen Bedürfnisse des Patienten berücksichtigt werden. Persönliche, den Behandlungserfolg beeinflussende Faktoren, spielen eine wichtige Rolle, damit der Patient den Behandlungsplan unterstützt. All das lässt sich unter dem Begriff Adhärenz (engl. Adherence für Einhalten, Befolgen) zusammenfassen: es beschreibt das Einverständnis des Patienten, die mit dem Arzt gemeinsam vereinbarte Therapieplanung nach besten Möglichkeiten einzuhalten, häufig mit Unterstützung und Beratung durch Pflegefachkräfte.
Stagnierende, schlecht heilende Wunden führen häufig zu einer hohen Frustration bei Patienten, Angehörigen und Wundtherapeuten. Hier kann es hilfreich sein, einige Fragen zu stellen:
- Wurde konsequent nach den Gesichtspunkten der modernen Wundversorgung gearbeitet?
- Ist eine optimale, den Bedürfnissen des Patienten entsprechende Produktanpassung erfolgt?
- Sind Kontinuität und damit Adhärenz seitens des Patienten sichtbar?
- Wurde die Lebensqualität verbessert?
Wundversorgung als Möglichkeit für mehr Lebensqualität
Gerade die Frage nach der Lebensqualität bietet in der Wundversorgung eine gute Möglichkeit, um mit den Patienten über ihre Probleme zu sprechen und eine abgeänderte Behandlungsoption zu finden, welche den Bedürfnissen und Möglichkeiten des Betroffenen entsprechen.
Dabei spielt die Kommunikation zwischen Behandler und Patient meist eine wichtige Rolle in Bezug auf Patientenzufriedenheit und Adhärenz. Ein gutes Beispiel hierfür sind Patienten mit diabetischem Fußsyndrom, da die Anforderungen an die Adhärenz bei einer Diabeteserkrankung hoch sind: Medikation, regelmäßige Blutzuckermessung, Diät, Nichtrauchen, körperliche Aktivität... nicht zu vergessen die Maßnahmen zur Verbesserung bestehender Wunden bzw. der Wundprophylaxe.
Adhärenz statt Compliance
Die Einhaltung und Umsetzung von Therapieempfehlungen beruht auf einer selbst bestimmten Entscheidung (Adherence) des Patienten und ist kein Akt des treuen Gehorsams gegenüber der Autorität des Arztes oder der Pflegekraft (Compliance), so eine von vielen Definitionen der Adhärenz. Im Unterschied zur Compliance werden Patienten im Adhärenz Konzept als aktive Partner in dieser Vereinbarung betrachtet. Die Zustimmung des Patienten zu den Therapie-Empfehlungen des Behandlers sind hier die Grundvoraussetzung. Es bezeichnet beispielsweise das Aushandeln und Einhalten eines gemeinsam erstellten Maßnahmenplans, bei dem die individuellen Vorstellungen des Patienten sowie seine Kompetenzen, die er in den Versorgungsprozess einbringen kann, mitberücksichtigt werden. Die Autorität der Pflegekraft wird dadurch nicht verändert oder beeinträchtigt. Im Vordergrund steht bei diesem Prinzip eine gute und regelmäßige, ehrliche Kommunikation. Nur so lässt sich herausfinden, was der Patient wirklich möchte und wie der Pflegeprozess mit den Wünschen, Fähigkeiten sowie Abneigungen des Patienten mit der Therapie des Arztes in Einklang gebracht werden kann.
Grundlagen einer erfolgreichen Wundbehandlung
Warum „arbeiten“ Patienten nicht immer mit? Warum fehlt oft der Wille, die eigene Genesung zu unterstützen?
Hierfür lassen sich einige Gründe benennen:
- die Angst vor einem schmerzhaften Verbandwechsel
- bereits vorab gesammelte negative Erfahrungen
- der sekundäre Krankheitsgewinn (Entbindung von Alltagsverpflichtungen, vermehrte Zuwendung)
- reduzierte Sozialkontakte bei alleinstehenden, älteren Patienten
- Angst vor dem Leibesinselschwund beim diabetischen Fußsyndrom.
Wenn der Patient in der Therapie nicht mithilft, weil er zum Beispiel im Vorfeld nicht genug Informationen zu der fachgerechten Behandlung seiner Wunde(n) erhält oder gar nicht in den Therapieplan mit einbezogen wurde, können selbst die besten Produkte in der Wundheilung wenig ausrichten. Patienten mit mangelnder Compliance haben eine geringere Lebensqualität. Umso wichtiger ist es, künftig das Konzept der Adhärenz zu implementieren. Denn die gemeinsame Formulierung von konkreten Therapiezielen fördert die Einhaltung des Therapieplans und hilft dabei, das Gesundheitsverhalten langfristig zu ändern (s. Adhärenz).
Der Verbandwechsel an sich kann als Teil des Adhärenz Konzepts genutzt werden: Um den Patienten einzubinden ist es wichtig, stets über die Hintergründe und die nächsten Schritte des Verbandwechsels zu kommunizieren. Neben der Erneuerung des Verbandes dient er dazu, die Wunde zu kontrollieren, sie zu beurteilen und ggfs. die Therapie an den Wundstatus anzupassen,. Wichtig ist hierbei, einen hygienischen Verbandwechsel durchzuführen, um eine Einschleppung von Keimen und Bakterien zu verhindern und Infektionen entgegenzuwirken. Ein hygienischer und möglichst schmerzarmer Verbandwechsel hat eine direkte Auswirkung auf die Lebensqualität und Adhärenz des Patienten.
Ausblick
Der Einsatz moderner Wundversorgungsprodukte kann dabei helfen, die Adhärenz der Patienten zu erhöhen: sie ermöglichen einen atraumatischen und weitgehend schmerzfreien Verbandwechsel. Häufig ist auch ein schnellerer Fortschritt der Heilung als positives Ereignis für den Patienten sichtbar, wodurch die Lebensqualität steigt.
Aspekte, bei denen die Adhärenz des Patienten notwendig ist (mod. nach von Reibnitz C et al.: Wundversorgung von A-Z. Springer Verlag 2018)
Schmerzmessung:
- Motivation zum Führen einer Schmerzskala
Verdacht auf Allergie:
- Dem Arzt Arzneimittel und Pflegeprodukte zeigen, die außerhalb der ärztlichen Verordnung zur Pflege eingesetzt werden und ggf. zu allergischen Reaktionen führen können
Kompressionstherapie:
- Kompression möglichst nach Verordnung einhalten
- Gymnastik zur Beweglichkeit des Sprunggelenks durchführen
- Geeignete Schuhe während der Kompressionstherapie tragen
- tägliche Bewegung
- Regelmäßige Nagelpflege
- Passende Hautpflege für trockene Haut
Schmerztherapie:
- Verordnete Schmerzmittel nach Plan einnehmen
- Schmerztagebuch führen
- Schmerzskala verwenden
Wundbehandlung:
- Verbände so lange auf der Wunde belassen, wie vom Arzt oder Pflegedienst angeordnet
- Tetanusschutz überprüfen lassen
- Arzt oder Pflegedienst informieren, wenn sich die Wunde heiß anfühlt, viel Flüssigkeit herausläuft oder sie schmerzhafter als sonst erscheint
Zusätzlich zu beachten:
- Eiweißreiche Nahrung bevorzugen, bis sich die Wunde schließt
- Standardmedikation überprüfen lassen (Betablocker können die periphere Mikrozirkulation stören)
- Wärme meiden (z.B. durch direkte Sonneneinstrahlung, Sauna oder heißes Wasser)
- Übergewicht reduzieren
- Angehörige in die Behandlung mit einbeziehen
Praktisches Beispiel: Ulcus cruris venosum
Die größte Gruppe (30-40%) der Wundpatienten sind Menschen mit Ulcus cruris venosum. Diese Indikation ist für Ärzte, Pflegende, Patienten, sowie deren Angehörige, sehr herausfordernd. Mit fortlaufender Erkrankung leiden besonders ältere Patienten unter starken Einschränkungen ihrer Lebensqualität. Bedingt durch Schmerzen, Mobilitätseinschränkungen, Wundnässen und -Geruch, oder auch juckende, geschwollene Beine . Gerade hier ist es unabdingbar, mit dem Patienten konkrete Ziele zu besprechen Diese sollten mit der ärztlichen Verordnung übereinstimmen, den Patienten aber gleichzeitig nicht überfordern. Hilfreich ist häufig eine kleine Auswahl an realistisch zu erreichenden Zielen, die dann nacheinander in Angriff genommen werden können: In unserem Beispiel das kontinuierliche Tragen von Kompressionsprodukten, die Durchführung von Beweglichkeitsübungen oder die langsame Abnahme des Körpergewichts. Bei den beiden letzteren ist es hilfreich, die Patientin oder den Patienten ein Tagebuch führen zu lassen. Ein Tagebuch dient hervorragend als Gesprächsgrundlage für die Termine mit der medizinischen Fachangestellten bzw. dem behandelnden Arzt, sowie als Motivation für den Patienten selbst, da die eigenen Fortschritte sichtbar werden.
Hier geht es zu einem weiteren Artikel zum Thema „Adhärenz in der Wundversorgung“
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Literatur:
Dissemond J et al.: Chronische Wunden - Diagnostik - Therapie - Versorgung. Elsevier Verlag 2020
Dissemond J et al: Flüssigkeits-assoziierte Hautschäden (FAH): Eine Best Practice Empfehlung von Wund-D.A.CH. J Dtsch Dermatol Ges 2021 Jun;19(6):815-827.
Dissemond: Modernes Management chronischer Wunden. Der Hautarzt 8/2021.
Gold MH et al.: International clinical recommendations on scar management: part 1-evaluating the evidence. Dermatol Surg 2014; 40(8): 817-24
Settelen C, et al.: Leitlinie Wundmanagement. Universitätsspital Basel 2011; http://www.unispital-basel.ch; zuletzt abgerufen am: 14.12.2021
von Reibnitz C et al.: Wundversorgung von A-Z. Springer Verlag 2018
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