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KI in der Wundversorgung – wohin führt die Zukunft?

27.02.2024
Arzt mit KI-Robotern für Diagnose und medizinische Forschung in Verbindung mit Big Data auf virtuellem Interface-Bildschirm. ; Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Medizin (Bild: Adobe Stock/tippapatt)

Die Zahl schwer heilender Wunden steigt. Für Angehörige der Gesundheitsberufe wird es immer schwieriger, allen Patient:innen gleichermaßen eine qualitativ hochwertige und leitliniengerechte Pflege zukommen zu lassen. [1, 2] Künstliche Intelligenz (KI) im Gesundheitswesen hat das Potenzial, medizinisches Fachpersonal in der Wundversorgung zu unterstützen und die Behandlung von Patient:innen zu verbessern. 

Wundversorgung – die Herausforderungen

Wundversorgung ist insbesondere bei chronischen Wunden komplex und zeitaufwendig. Leitlinien geben, auf Evidenz basierend, eine Behandlungsempfehlung, doch Fachkräfte benötigen zusätzlich umfangreiche Erfahrung, um Komplikationen im Heilungsprozess rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Umfassende Dokumentationspflichten verringern zudem die Zeit für die Wundbehandlung und die Pflege der Patient:innen.

Wissenschaftler:innen suchen daher nach Möglichkeiten, wie der Einsatz von künstlicher Intelligenz Fachkräfte unterstützen und entlasten kann. Künstliche Intelligenz ist die Fähigkeit einer Maschine bzw. eines Computers, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren. Der Computer empfängt Daten, die über eigene Sensoren wie z. B. eine Kamera vorbereitet oder gesammelt wurden. Danach verarbeitet er diese Daten und reagiert darauf. KI-Systeme können ihr Handeln anpassen, indem sie die Folgen früherer Aktionen analysieren und autonom arbeiten. 

Beispiele für Systeme, die mit KI arbeiten, sind Software zur Analyse von Bildern, Roboter,  Suchmaschinen, Sprach- und Gesichtserkennungssysteme oder autonom fahrende Pkw. [3] 

Anwendungsbereiche von KI in der Medizin

Für KI in der Medizin gibt es viele verschiedene Anwendungsfelder. So können anhand großer Mengen von Bilddaten, beispielsweise von Mammografien oder CTs, Systeme angelernt werden, bestimmte Strukturen zu erkennen und zwischen abklärungsbedürftig oder nicht zu unterscheiden. 

Chirurg:innen können bei komplexen Operationen durch den Einsatz von speziellen, auf KI basierenden Visualisierungen auf Monitoren verschiedene Gewebeebenen dreidimensional angezeigt bekommen. So können schwierige OPs sicherer werden. 

Solche und andere KI-Programme unterstützen medizinisches Fachpersonal. Software-Tools, die in der Datenverwaltung, Dokumentation und Datenverarbeitung eingesetzt werden, können standardisierte medizinferne Aufgaben ausführen und medizinisches Fachpersonal entlasten. 

KI für die Diagnose chronischer Wunden

Die Wundbeurteilung ist für die Wahl der Behandlung und die Bewertung der Wundheilung unerlässlich. Hierfür müssen beispielsweise die Wundgröße, der Wundrand, der Wundgrund und der Wundbelag erhoben werden. Bisher erfolgt dieser Vorgang, indem medizinisches Fachpersonal die Wunde begutachtet. Zukünftig könnte dieser Prozess durch KI-basierte Programme reproduzierbarer und schneller erfolgen: Eine Person nimmt mit einer Kamera mit Tiefensensoren Bilder der Wunde auf. Diese werden mit hinterlegten Bilddaten von Wunden verglichen und eine Diagnoseempfehlung wird ausgegeben. [4, 5]

Ein solches Vorgehen könnte medizinisches Fachpersonal im arbeitsintensiven Alltag bei der Behandlung chronischer Wunden unterstützen.

KI in der Behandlung chronischer Wunden

Auch im Anschluss an die Diagnose können KI-basierte Tools unterstützen. Enthält ein Programm eine umfassende Datenbasis, in der Wundbilder mit Therapieprozessen verknüpft sind, können Therapieempfehlungen gegeben und erfolgversprechende, leitliniengerechte Behandlungspläne abgeleitet werden. Selbstverständlich kann die behandelnde Fachkraft die Therapie nach Bedarf anpassen. Wird der Wundstatus während der Therapie regelmäßig mit der Kamera dokumentiert, kann der Behandlungsfortschritt oder auch eine Stagnation oder Verschlechterung verfolgt werden. Fließen diese Daten wieder zurück in das Programm, lernt das System, welche Therapien in welchen Situationen gut funktionieren. Die Therapieempfehlungen verbessern sich. 

Dr. Dirk Solte, Fachexperte für Zukunftsforschung beim Medical Data Institute und Experte für KI, erklärte beim BVMed Forum „Eine Stunde Wunde“ eine mögliche praktische Erleichterung: Bei einer Verschlechterung der Wunde könnte automatisch ein Rezept bei den behandelnden Ärzt:innen angefragt werden, um die Prozesse zu beschleunigen.[6]

Mithilfe von Apps zur Wunddokumentation oder der Smartphone-Kamera können Patient:innen schon heute ihre Wunden fotografieren und den Heilungsverlauf mit betreuenden Ärzt:innen und Wundexpert:innen besprechen. Zukünftig könnten Bilddaten von Wunden hinterlegt werden, sodass eine KI das Foto der Wunde mit der Datenbank abgleicht und eine Empfehlung gibt, ob eine ärztliche Einschätzung erforderlich ist oder nicht.

KI in der Dokumentation

Ein weiteres Feld für KI-gestützte Anwendungen ist die Dokumentation. Während aktuell Fachpersonal viel Zeit für die Dokumentation der Behandlung und die Abrechnung mit den Kranken- und Pflegekassen aufwenden muss, könnten geschickt vernetzte Tools diesen Aufwand signifikant reduzieren. Würden aus Kameradaten die notwendigen Informationen zu Diagnose und Therapie automatisch erkannt, mit Abrechnungsziffern verknüpft und für die Übermittlung vorbereitet, würde das den Zeitaufwand für Bürotätigkeit verringern und es bliebe mehr Zeit für die Behandlung der Patient:innen. 

Herausforderungen, ethische Fragen und Zukunftsperspektiven

Trotz aller Möglichkeiten, der Vorteile und der Vielzahl an Entwicklungen von künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen dürfen ethische Fragestellungen und mögliche Herausforderungen nicht ignoriert werden.

  • Verlässlichkeit der Aufnahmen: Die Ergebnisse von Wundbildern, die mit unterschiedlichen Geräten, bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen oder durch verschiedene Personen gemacht werden, müssen verlässlich und vergleichbar sein. [4]
  • Qualität der Daten: Die zugrunde liegenden Daten, mit denen KI-Systeme trainiert werden, müssen qualitativ hochwertig und umfangreich sein. 
  • Bias-freies Bildmaterial: Die Bilddaten dürfen keinen Bias (Verzerrung der Ergebnisse) fördern, beispielsweise existieren in der Dermatologie kaum Fotos von Hauterkrankungen bei Menschen mit dunkler Hautfarbe.[7]
  • Fehlerreproduktion: Fehler in den Trainingsdaten oder fehlerhafte Einschätzungen der KI müssen erkannt und korrigiert werden, damit sie nicht reproduziert werden. 

In all diesen Punkten, besonders in der Verbesserung der Wundbehandlung, liegen vielversprechende Potenziale. Vor allem die Möglichkeit, große Datenmengen auszuwerten und fortwährend an neuen Daten zu lernen, macht KI-Tools im Wundmanagement interessant. Auch die Erleichterung der Dokumentationspflichten könnte einen großen und wichtigen Effekt haben, sowohl für das medizinische Personal und die Pflegekräfte als auch für Patient:innen und Angehörige. 

Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass eine stringentere Versorgung nicht nur die Behandlung verbessern und den Heilungsverlauf optimieren, sondern gleichzeitig auch Kosten senken wird. [8] Vielleicht wird es zukünftig sogar möglich sein, die Wundheilung durch den Wundverband mittels intelligenter Sensoren und KI-Tools zu ermöglichen, welche die Geweberegeneration bewerten können. [9] Die Forschung dazu läuft.

Quellen:

[1] Herberger K, Rustenbach SJ, Grams L, Münter KC, Schäfer E, Augustin M. Quality-of-care for leg ulcers in the metropolitan area of Hamburg – a community-based study. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2012 Apr;26(4):495-502. doi: 10.1111/j.1468-3083.2011.04110.x

[2] Heyer K, Protz K, Glaeske G, Augustin M. Epidemiology and use of compression treatment in venous leg ulcers: nationwide claims data analysis in Germany. Int Wound J. 2017 Apr;14(2):338-343. doi: 10.1111/iwj.12605

[3] Europäisches Parlament: Was ist künstliche Intelligenz und wie wird sie genutzt? (erstellt am 14.09.2020, aktualisiert am 20.06.2023) https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20200827STO85804/was-ist-kunstliche-intelligenz-und-wie-wird-sie-genutzt (Abruf am 08.02.2024)

[4] Chairat S, Chaichulee S, Dissaneewate T, Wangkulangkul P, Kongpanichakul L. AI-Assisted Assessment of Wound Tissue with Automatic Color and Measurement Calibration on Images Taken with a Smartphone. Healthcare (Basel). 2023 Jan 16;11(2):273. doi: 10.3390/healthcare11020273

[5] Swerdlow M, Lo J, Armstrong DG. Reliability of an AI-Powered Application Across Different Mobile Devices for Assessment of Chronic Wounds. Adv Wound Care (New Rochelle). 2024 Jan;13(1):14-21. doi: 10.1089/wound.2022.0095

[6]BVMed-Forum „Eine Stunde Wunde“ | Zukunftsforscher Solte: KI kann in der Wundversorgung unterstützen https://www.info-wundversorgung.de/iw-de/wundversorgung-aktuell/bvmed-forum-eine-stunde-wunde-zukunftsforscher-solte-ki-kann-in-der-wundversorgung-unterstuetzen (Abruf am 02.01.2024)

[7] Prof. Dr. Ruth Müller, Lehrstuhl für Wissenschafts- und Technologiepolitik, TUM, Bioengineering Day des Munich Institute of Biomedical Engineering der Technischen Universität München am 23.06.2023. https://www.bioengineering.tum.de/news/details/bioengineering-day-2023-ki-in-der-medizin (Abruf am 02.01.2024)

[8] Dabas M, Schwartz D, Beeckman D, Gefen A. Application of Artificial Intelligence Methodologies to Chronic Wound Care and Management: A Scoping Review. Adv Wound Care (New Rochelle). 2023 Apr;12(4):205-240. doi: 10.1089/wound.2021.0144

[9] Kalasin S, Sangnuang P, Surareungchai W. Intelligent Wearable Sensors Interconnected with Advanced Wound Dressing Bandages for Contactless Chronic Skin Monitoring: Artificial Intelligence for Predicting Tissue Regeneration. Anal Chem. 2022 May 10;94(18):6842-6852. doi: 10.1021/acs.analchem.2c00782

Weitere Quellen, die zur Erstellung des Artikels berücksichtigt wurden: 

Fraunhofer Institut. https://www.iks.fraunhofer.de/de/themen/kuenstliche-intelligenz/kuenstliche-intelligenz-medizin.html (Abruf am 13.02.2024)

TUM, Bioengineering Day des Munich Institute of Biomedical Engineering der Technischen Universität München am 23.06.2023. https://www.bioengineering.tum.de/news/details/bioengineering-day-2023-ki-in-der-medizin (Abruf am 02.01.2024)

de:hub Karlsruhe Artificial Intelligence: https://digitalhub-ai.de/de/ki-beispieleprojektdetails/ki-bei-der-patientendatenerfassung-und-dokumentation (Abruf:02.01.2024)

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