Inkontinenz-assoziierte Dermatitis (IAD): 4 Fragen an…
Video-Interview mit Dorothea Hentschel über Inkontinenz-assoziierte Dermatitis (IAD)
Interview mit Dorothea Hentschel, Fachtherapeutin Wunde am Klinikum Leer
Inkontinenz gehört bei der Pflege chronisch kranker, älterer oder auch schwerkranker Menschen häufig zum Alltag. In Pflegeinrichtungen sind ca. 60% der Bewohner:innen von Harninkontinenz und 24% von Stuhlinkontinenz betroffen.[1] Kommt die Haut permanent mit Stuhl oder Urin in Kontakt, reagiert sie gereizt, sie brennt und schmerzt. Dabei können Flüssigkeits-assoziierte Hautschäden (FAH) wie eine Inkontinenz-assoziierte Dermatitis (IAD) entstehen. Aufgrund ihres Aussehens kann eine IAD jedoch leicht mit einem Dekubitus verwechselt werden.
Woran man eine IAD erkennt, wie man sie verhindern kann und was die Herausforderungen im klinischen Alltag sind, darüber haben wir uns mit Dorothea Hentschel auf dem Deutschen Wundkongress (DEWU) in Bremen unterhalten. Sie ist Fachtherapeutin Wunde ICW und arbeitet als Leitung Wundmanagement am Klinikum Leer.
Frau Hentschel, was ist eine IAD und wie entsteht sie?
Eine IAD ist die Inkontinenz-assoziierte Dermatitis des perianalen Bereiches. Dabei wird nach verschiedenen Inkontinenzformen unterschieden – einmal nach der Urininkontinenz und der Stuhlinkontinenz.
Beide Inkontinenzformen sind Risikofaktoren für die Entstehung einer IAD. Treffen sie aufeinander, ist das für die Haut sehr schlecht. Man muss sich das vorstellen, wie ein Feuerwerk auf der Haut. Der Harnstoff des Urins wird umgewandelt in Ammoniak. Und wenn der Ammoniak auf die Stuhlenzyme trifft, werden diese auch noch aktiviert. Eiweiße und Fette werden gespalten. Dann geht unser Hautschutz, die Hautschutzbarriere, komplett verloren. Mikroorganismen und Bakterien können in die Haut eindringen, fühlen sich pudelwohl und verursachen diese schlimmen Hautirritationen.
Welche Herausforderungen gibt es mit der IAD im klinischen Alltag?
Die allergrößte Herausforderung ist tatsächlich die Differenzierung einer IAD zu einem Dekubitus. Ein Dekubitus ist eine lokale Schädigung der Haut und des darunterliegenden Gewebes aufgrund von längerer Druckbelastung, die die Durchblutung der Haut stört. Es gibt verschiedene Stadien (Grad 1 bis 4) eines Dekubitus.
Sehr häufig wird ein Dekubitus Grad 1 und 2 mit einer IAD verwechselt. Das ist fatal für die Patientenhaut. Denn was nutzt eine Druckentlastung bei der Behandlung einer IAD. Davon profitiert die Haut des Patienten erstmal nicht. Das bedeutet, dass man die Mitarbeiter entsprechend schulen muss, damit sie eine IAD frühzeitig erkennen.
Wie kann eine IAD verhindert werden?
Das Wichtigste ist die Überprüfung des Inkontinenzmaterials. Das Beste wäre, Sie verwenden Citrat gepuffertes Material, was für den Haut pH-Wert förderlich ist. Eine weitere wichtige Rolle spielen aber auch der Hautschutz und die Hautpflege. Jeder, der ein Inkontinenzprodukt trägt, sollte auch mit einer Barrierecreme behandelt werden und bei der geröteten Haut auf einen Barriereschutzfilm übergehen.
Wenn die Haut nicht mehr intakt ist, können Sie mit einem Barrierelack letztendlich die Haut schützen, unter der auch die Irritationen abheilen. Ist die Haut noch intakt und es gibt häufige Entleerungen, können Sie mit einem Fäkalkollektor arbeiten. Ist die Haut nicht mehr intakt im perianalen Bereich gehen wir bei uns in der Klinik sehr frühzeitig auf eine Stuhldrainage über.
Welche persönlichen Empfehlungen haben Sie im Umgang mit einer IAD?
Es gibt fünf Punkte, die man sich ganz einfach merken kann:
- Die Risikoerfassung.
- Die Abgrenzung einer IAD zu einem Dekubitus.
- Die Ursachenminimierung.
- Die Identifizierung der Inkontinenzform.
- Und das Allerwichtigste: Erstellung eines individuellen Prophylaxe- und Behandlungsplan.
Denn nichts ist frustrierender für Pflegende, wenn sie die Materialien nicht zur Verfügung haben und sich fiktiv irgendwas überlegen. Mit einer auf Ihre Einrichtung speziell abgestimmte Verfahrensanweisung, einen Standard wie vorzugehen ist, werden Sie garantiert auch Erfolge verzeichnen.
Liebe Frau Hentschel, vielen Dank für Ihre Tipps und das interessante Gespräch.
Das Interview können Sie sich auf unserem Youtube Kanal in voller Länge ansehen > Zum Video
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Quellen:
[1] Insenio Inkontinenz Zahlen und Fakten – Infografik: https://www.insenio.de/ratgeber/inkontinenz-zahlen-und-fakten/
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