Chronischen Wunden vorbeugen: Tipps für Prävention und Pflege
Chronische Wunden verursachen starke Schmerzen und verringern die Lebensqualität der Patient:innen – und sie führen zu hohen Kosten: Bis zu vier Milliarden Euro bringen die Krankenkassen laut GKV für die Versorgung chronischer Wunden auf.1 Betroffen sind bis zu 2,7 Millionen Menschen in Deutschland, so der Berufsverband der Deutschen Chirurgie.2 Dabei sind chronische Wunden überwiegend vermeidbar, sagen Expert:innen – ein Überblick über die wichtigsten Prinzipien der Prophylaxe.
Im Pflegealltag stellen chronische Wunden häufig eine Herausforderung dar – Risikofaktoren sind eine Reihe von Grunderkrankungen, darunter Diabetes mellitus oder arterielle oder venöse Durchblutungsstörungen, sowie Immobilität und schlechter Ernährungszustand. Dabei kann oft verhindert werden, dass eine Wunde chronisch wird oder trotz Einschränkungen mit geeigneten Maßnahmen die Heilung angeregt wird.
Routine und das sorgfältige Beachten einiger Regeln helfen: „Chronische Wunden sind überwiegend vermeidbar“, stellte Prof. Dr. Matthias Augustin vom Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP) am UKE Hamburg im „Ärzteblatt“ fest.3
Wann gilt eine Wunde als chronisch?
Chronisch ist eine Wunde, wenn sie nach acht Wochen nicht abgeheilt ist, bei Integritätsverlust der Haut und einer oder mehrerer darunterliegender Strukturen. So definiert es die S3-Leitlinie „Lokaltherapie chronischer Wunden“, die speziell für den Ulcus cruris und weitere Ulzera bei venösen Erkrankungen gilt.4
Ebenfalls als chronische Wunde betrachtet wird der Dekubitus, das Druckgeschwür, das insbesondere immobile oder querschnittsgelähmte Menschen betreffen kann5: Dauerliegen oder -sitzen belastet immer dieselben Hautareale, etwa am Sitzbeinknochen oder an der Hüfte. Auch ist die Durchblutung bei immobilen Menschen reduziert, was ebenfalls dazu führt, dass sich Druckgeschwüre bilden und schlechter abheilen. Die häufigsten chronischen Wunden werden im Pflegealltag bei Dekubitus, diabetischem Fußsyndrom und Ulcus cruris beobachtet.6
Einfache Prinzipien für die Prävention chronischer Wunden
Pflegefachkräfte sollten bei bestehenden Grunderkrankungen und Immobilität auf grundlegende vorbeugende Maßnahmen achten, damit chronische Wunden nicht erst entstehen.
Chronische Wunden - 5 Säulen der Prävention:7
- Risiko einschätzen: Bettlägerigkeit, Bewegungsmangel, Kreislauf- und Koordinationsprobleme beachten, bei denen Wunden schlecht abheilen und chronisch werden können
- Haut regelmäßig pflegen: Haut untersuchen, auf Lage achten, Haut-Assessment vornehmen, Symptome beachten: Rötungen zeigen entstehenden Dekubitus an; bei Diabetes mellitus die Füße täglich untersuchen. Schuhe sollten nicht zu eng sein; bei Inkontinenz Einlagen häufig wechseln
- Grunderkrankung behandeln: Blutzucker bei Diabetes mellitus gut einstellen lassen, Kompressionsstrümpfe bei Venenschwäche und Krampfadern, Rauchstopp bei Raucher:innen, medikamentöse Therapie bei Durchblutungsstörungen, Krampfadern behandeln lassen
- Bewegung fördern: z. B. häufige Lageänderungen, dabei haut- und gewebeschonende Techniken anwenden; Patient:innen zum Aufstehen und Gehen motivieren
- Wunden richtig versorgen: Druckentlastung, Durchblutung fördern, Reinigung, ggf. Débridement, passende Wundauflage wählen
Dekubitus vermeiden: Welche Körperstellen sind gefährdet?8
Ein Dekubitus entsteht vor allem an Sitzbein, Kreuzbein und Fersen. Hier sollte die Haut regelmäßig untersucht werden: Gerötete Hautstellen können anzeigen, dass sich ein Dekubitus entwickelt.
Der einfache Fingertest nach Phillips9 prüft, ob Gefahr besteht: Dabei drückt die Pflegekraft mit dem Finger für einige Sekunden auf die gerötete Hautstelle. Dann zieht sie den Finger schnell zurück und beobachtet die Haut. Wird ein weißer Fleck sichtbar, der sich schnell wieder rötlich färbt, ist die Haut gesund.
Fingertest zur Dekubitus Früherkennung mit negativem Ergebnis (Fotos: Daniel Baum, Convatec)
Bleibt die Rötung durchweg bestehen, ist von einem entstehenden Dekubitus (Dekubitus Grad 1) auszugehen.
Fingertest zur Dekubitus Früherkennung mit positivem Ergebnis (Fotos: Daniel Baum, Convatec)
In diesem Fall muss die Stelle sofort von Druck entlastet werden. International sind dazu auch Schaumverbände gebräuchlich. So wird in den USA der neue ConvaFoam™ Schaumverband* zur sogenannten Wound Protection eingesetzt.10
Tipps für die Pflege – worauf Sie achten sollten:
- Bei Ulcus cruris sowie allen chronischen, schwer heilenden Wunden die vier Schritte der Wundhygiene anwenden, um die Wundheilung optimal anzuregen.11
- Wärme im Wundbereich vermeiden, etwa Sonneneinstrahlung oder zu warmes Wasser bei der Körperpflege
- Ernährung hilft heilen: Proteinreiche Nahrung, genügend Flüssigkeit und Zinkgaben unterstützen die Wundheilung, Mangelernährung erschwert sie.
- Angehörige aufklären, einbeziehen und praktisch anleiten, von Hausmitteln abhalten
- Bei akuten Wunden sind der Zustand der Haut und die Wundumgebung sorgfältig zu beobachten, damit die Wunden nicht chronifizieren. Mehr Informationen gibt es hier.
Mit sorgfältiger Prävention und Pflege sollten sich chronische Wunden so in vielen Fällen vermeiden lassen. Da Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus oder Gefäßkrankheiten eine erhebliche Rolle spielen, ist die individuell abgestimmte medizinische Behandlung entscheidend für die Heilung der Wunden und die Steigerung der Lebensqualität bei den Patient:innen.
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Hinweise und Quellen:
*ConvaFoam wird voraussichtlich ab Q4/2024 "nach Vorliegen der CE-Kennzeichnung" auf dem deutschen Markt erhältlich sein.
[1] BDC – Berufsverband der Deutschen Chirurgie e.V. 2021 https://www.bdc.de/versorgung-von-patienten-mit-chronischen-wunden-und-wundheilungsstoerungen-eine-aufgabe-fuer-die-chirurgie/
„In Deutschland gibt es etwa 2,7 Millionen Menschen mit chronischen Wunden. Ulcus cruris, diabetisches Fußsyndrom, arterielle Verschlusskrankheit und Dekubitus sind die häufigsten Krankheitsentitäten. Bereits dafür gibt es sehr unterschiedliche Angaben zur Häufigkeit [1]. Unabhängig davon ist aufgrund der altersbedingten Entwicklung der Bevölkerungsstruktur eine Zunahme von Patienten mit arterieller Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus und Immobilität zu erwarten, sodass die Zahl von Patienten mit chronischen Wunden zunehmen wird.“
[2] BDC – Berufsverband der Deutschen Chirurgie e.V. 2021 https://www.bdc.de/chronische-wunde
[3] Ärzteblatt.de 2016, Versorgung von Wunderkrankungen https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/66620/Versorgung-von-Wunderkrankungen-kostet-acht-Milliarden-Euro
[4] S3-Leitlinie „Lokaltherapie chronischer Wunden bei Patienten mit den Risiken periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus, chronische venöse Insuffizienz“
[5] ICW Initiative Chronische Wunden, Dissemond et al., Standards für Diagnostik und Therapie chronischer Wunden 2020
https://www.icwunden.de/fileadmin/Fachinfos/Standards/Standards_2020_web.pdf
[6] Pflege.de https://www.pflege.de/krankheiten/chronische-wunde/#:~:text=Ein%20Dekubitus%20ist%20eine%20chronische,Auflagefl%C3%A4chen%20nicht%20ausreichend%20durchblutet%20wird
[7] Quellen für 5 Säulen der Prävention:
Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege, 2. Aktualisierung 2017
https://www.dnqp.de/fileadmin/HSOS/Homepages/DNQP/Dateien/Expertenstandards/Dekubitusprophylaxe_in_der_Pflege/Dekubitus_2Akt_Auszug.pdf
https://www.pflege.de/pflegende-angehoerige/pflegewissen/kinaesthetik-mobilisation/
https://www.pflege.de/krankheiten/dekubitus/dekubitusprophylaxe/
Internationale Dekubitus-Leitlinie https://www.epuap.org/wp-content/uploads/2020/06/qrg-2020-german.pdf
Prof. Dr. Matthias Augustin, UKE Hamburg in https://www.pflege.de/krankheiten/dekubitus/dekubitusprophylaxe/
[8] S1-Leitlinie „Querschnittspezifische Dekubitusbehandlung und -prävention, Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege“, 2. Aktualisierung 2017
https://www.dnqp.de/fileadmin/HSOS/Homepages/DNQP/Dateien/Expertenstandards/Dekubitusprophylaxe_in_der_Pflege/Dekubitus_2Akt_Auszug.pdf
[9] Fingertest nach Phillips: https://pqsg.de/seiten/openpqsg/hintergrund-standard-fingertest.htm
[10] s. Beitrag Convatec https://www.convatec.com/advanced-wound-care/wound-prevention-protection/
[11] Convatec – Wundversorgung https://www.convatec.com/de-de/wundversorgung/versorgung-und-pflege/ sowie „Vier einfache Schritte für die optimale Wundversorgung“ https://www.woundhygiene.com/de/vier-schritte/
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